Formalitäten
Die Formalitäten vor der Abreise klärten sich für mich dadurch recht schnell, da ich das Bewerbungsverfahren durch ein Nachrückerverfahren verkürzen konnte und ich somit meinen Platz an der Universität Debrecen sicher hatte. Ich entschied mich vor der Abreise für eine Auslandskrankenversicherung, die jegliche womöglich auftretende Versorgungslücke im Ausland abdeckte und die mich auch in einem schlimmen Krankheitsfall nach Hause hätte bringen können (Versicherung: ERGO (Jahresschutz)). Die Kommunikation mit der Universität Debrecen verlief sehr gut, da ich direkt nach Erstaufnahme des Kontaktes einen Ansprechpartner erhielt, der mir stets schnell und zuverlässig Antworten lieferte. Von Seiten der Heimatuniversität verlief dies schleppend, da richtige Ansprechpartner schwer auffindbar waren und es sich häufig um lange Antwortperioden handelte, bei denen ich verhäuft mehrmals nachhaken musste, bis ich schließlich meine Antworten erhielt. Insgesamt würde ich vor allem deshalb jedem und jeder empfehlen, genügend Zeit für die Vorabplanungen einzuplanen.
Unterkunft
In Debrecen entschied ich mich für ein Wohnheim (Kossuth Lajos 2), welches ich jedem und jeder weiter empfehlen würde. Das Wohnheim befindet sich direkt auf dem Campus der Universität und so ist man bei fast jeder Fakultät in maximal 5 Minuten. Wohnheime in Ungarn sehen anders aus als in Deutschland. Studenten teilen sich hier das Zimmer mit mindestens einer anderen Person (im Falle eines anderen Wohnheimes als Kossuth Lajos 2 auch häufig mit zwei Personen). Obwohl dies erst einmal abschreckend wirkt und sicherlich auch viel mit Glück zu tun hat (ist die Person mit der man sich ein Zimmer teilt, nett/rücksichtsvoll, etc?), würde ich vor allem Erasmus-Studierenden zu dieser Erfahrung raten. In Halle wohne ich auch in einem Studiwohnheim, welches für mich allerdings eine komplett andere Erfahrung bot. In Debrecen lebt man auf einem Floor fast ausschließlich mit Austausch-Studierenden, was den großen Vorteil bietet, direkt Kontakte sammeln zu können. Zudem hat sich in meinem Semester eine richtige Gemeinschaft entwickelt, sodass sich die Räumlichkeiten mehr wie eine große Wohnung als abgetrennte Parteien angefühlt haben. Die Küche teilt man sich mit rund 60 Leuten (8 Herdplatten, zwei Öfen) und was sich erstmal nach einer Katastrophe anhört, stellte sich als wirklich machbar heraus! Die vielen unterschiedlichen Kulturen essen alle zu unterschiedlichen Zeiten, weshalb die Küche nie aus allen Nähten platzte (verwunderlich, aber es stimmt!). Mit seinem Mitbewohner teilt man sich ein Bad. Für ein Semester zahlt man hierfür 200.000HUF (ca. 540€, Stand Juli 2023). In dem Preis sind neben dem Wohnen an sich auch „Putzkosten“ mit einberechnet, d.h. Zweimal pro Tag wird die Küche gereinigt, einmal alle 2 Wochen das Bad und alle zwei Wochen gibt es neue Bettwäsche. Mir war es im Erasmus trotz spannender interkultureller Beziehungen wichtig, auch Beziehungen zu Ungaren aufzubauen. Je nach Auslandsdestination, ist dies manchmal gar nicht so einfach, da sich manche Kulturen eher zurück halten, Erasmus-Studierende eher zusammen gehalten werden, etc.. Im Kossuth Wohnheim war es trotz räumlicher Trennung möglich, Freundschaften/Bekanntschaften zu Ungaren aufzubauen, da man sich einfach in den Küchen der anderen Floors aufhalten konnte und es so zu spannenden Gesprächen während der Mittagszeit kommen konnte.
Einige meiner Freunde wohnten auch in Privatunterkünften. Davon würde ich allerdings abraten, da die Kosten häufig mehr als das doppelte bis dreifache des Wohnheimspreises betrugen und die Menschen häufig ein bisschen isoliert lebten, da viele Aktivitäten in den Wohnheimen stattfanden und es, anders als in Deutschland, nicht einfach ist, Besucher zu empfangen (schwerer als tagsüber ist nachts, vor allem wenn es sich um einen längerfristigen Besuch handelt).
Lehrangebot
Ich habe meine Kurse aus verschiedenen Studiengängen zusammen stellen können, je nach Kursen die mich interssierten. Allerdings hatte ich nicht den Druck, mir Kurse in Deutschland anrechnen lassen zu müssen, da ich zum Zeitpunkt meines Erasmus‘ meinen Bachelor bis auf die Bachelorarbeit fertig hatte und mir durch das zusätzliche Semester die Freiheit geben wollte, persönliche Wissenslücken aufzufüllen. Mir wurde außerdem die Möglichkeit geboten, Kurse aus Masterstudiengängen zu belegen, obwohl ich noch Bachelorstudentin bin. Obwohl ich nicht alle Kurse belegen konnte, die ich wollte (Kursgröße zu klein, Professor fällt aus für jenes Semester), wurde mir trotz dessen von Seiten der Universität Debrecen immer ein besonderes, ausgleichendes Programm zur Verfühgung gestellt. Zum Beispiel konnte ein Kurs nicht stattfinden, und so hat sich eine Doktorantin mir trotz dessen angenommen und mir „private Exkursionen“ zum Thema gegeben. In einem anderen Fall konnte ein Kurs zwar aufgrund der Größe nicht stattfinden, wie geplant, aber so habe ich einführende „private“ Stunden bei einem Professor im Büro gehabt. Er hat mir Powerpointpräsentationen geschickt, die ich dann eigenständig durch gearbeitet habe und anschließend haben wir uns in einem zweiwöchigen Takt zur Diskussion der jeweiligen Thematik getroffen. Insgesamt haben mir die Kurse, die ich regulär besucht habe, sehr gut gefallen. Die Kursgrößen waren sehr klein und die Lehrenden waren somit in der Lage, auf die Bedürfnisse (Praktische Arbeiten, spezifische Nachfragen, Projektarbeiten) der Studierenden überdurchschnittlich einzugehen. Ich denke, dass ich aus diesem Semester sehr viel Wissen mitnehmen konnte! Allerdings muss ich dem hinzufügen, dass die Arbeitsansprüche in Ungarn verhältnismäßig recht hoch waren. So musste ich für Kurse mit wenigen ECTS (2-3) mehrere Präsentationen abhalten, Projektarbeiten schreiben und einen Midterm sowie eine größere Endklausur schreiben. Obwohl der Arbeitsaufwand im Vorhinein hoch war, waren die Bewertungen allerdings häufig auch fair bis sehr gut. Außerdem hatte man bei den Arbeiten jeweils auch viel Mitspracherecht, sodass die Themen auf die eigenen Interessen abgestimmt wurden.
Anerkennung der Leistungen
Zu diesem Punkt kann ich nichts sagen, da ich mir ein Extrazeugnis von der Universtät Debrecen habe ausstellen lassen und mir keine ECTS anrechnen lasse.
Sonstiges
Ich würde jedem und jeder ein Auslandssemester in Debrecen empfehlen. Zugegebenerweise war es auch nicht meine erste Wahl, aber dadurch dass ich die Erasmusfrist verpasste, blieb mir nur Ungarn als Wahlmöglichkeit und ich habe dies zu keinem Zeitpunkt bereut. Im Gegenteil, ich bin sehr froh über diese glücklichen Umstände. Ungarn ist ein Land, das viele für ein Auslandssemester nicht auf dem Schirm haben. Das ist nach meiner Erfahrung allerdings vollkommen unberechtigt! Debrecen ist eine tolle Studistadt, in der es zwar nicht unbegrenzte Möglichkeiten, dennoch viel zu entdecken gibt. Außerdem ist die Nähe zu Budapest (2,5h) von Vorteil, da man so zum Feiern/Rauskommen etc einfach in die Hauptstadt fahren kann. Debrecen ist aber meiner Meinung nach, vor allem zur Sommer/Frühlingszeit, auch sehr schön! Überall blüht es und die lauen Sommernächte laden zu Partynächten im Nagyerdei Park oder im Bakelit Club ein! Ungarn ist ein kleines Land, weshalb man Städte wie Eger, Pécs, die Balatonregion, oder Szeged wunderbar während des Auslandsemesters bereisen kann. Zusätzlich dazu war es mir durch die Lage in Mitteleuropa (und könnte es dir möglich sein :D!) möglich, viele Teile Europas zu bereisen, in denen ich vorher noch nicht war, wie zB Österreich, Slowakei, Slovenien und Rumänien. Ungarn hat meinen Horizont erweitert: durch die verschiedenen Menschen die ich kennenlernen durfte, die Kultur der Ungaren und durch die Sprache die ich lernen „durfte“. Durfte setze ich hier in Anführungszeichen, da ich in diesem Semester gelernt habe, dass man mit Englisch nicht überall in Europa einfach so weiterkommt. Ich bin aber froh, diese einzigartige Sprache zumindest in Grundsätzen gelernt zu haben.
Auch wenn die Ungaren erstmal ein bisschen kalt wirken können, habe ich sie als sehr warmherzige Menschen empfunden, die außerordentlich gastfreundlich sind! Die Hälfte der Erasmusstudenten, die ich in meinem Sommersemester kennengelernt habe, haben ihren Auslandsaufenthalt um ein Semester verlängert, was, wie ich finde, wirklich dafür spricht, wie toll die Erasmuszeit in Debrecen ist. Auch die Unterstützung durch ESN vor Ort ermöglichte es vielen, ein tolles Netzwerk zwischen Internationalen und Ungaren aufzubauen. Außerdem empfehle ich es jeder und jedem Langos und Baumstriezel im Herkunftsland selber zu probieren!;)
Wichtige allgemeine Kontakte für das Auslandssemester in Debrecen sind:
Imre Hegedüs (Ansprechpartner des Kossuth Wohnheimes): hegedus.imre@unideb.hu
Ágnes Piroska (Ansprechpartnerin im International Office): piroska.agnes@unideb.hu
Für Ansprechpartner der Studiengänge rund um Geographie, Earthsciences etc kannst du mich gerne kontaktieren!
Eure Larissa Werner